
Als der Regen um vier nachlässt, packe ich alles zusammen und starte die 180km Etappe über Boitzenburg nach Wittenberge. Ich passiere Recht bald hinter Lübeck Mölln, das ist ein nettes Städtchen mit historischer Altstadt usw. Leider habe ich in einem Industriegebiet in Lübeck gefrühstückt in sehr hässlichen Ambiente. Das ist immer etwas doof am Radfahren: Man muss dann futtern, wenn die Beine nicht mehr richtig arbeiten und nicht, wenn es schön ist. Es geht mehrfach über die Grenze und manchen Dörfern sieht man ihre DDR Vergangenheit an. Auch krass ist der ex-Todesstreifen, der sich wie eine schmale Wiese über Kilometer rechts von der Straße zieht. Ich fahre über Alleen mit Eichen, teilweise mit kilometerlangen Kopfsteinpflaster Passagen, wo man auf dem Grünstreifen am ruhigsten fährt. Kurz vor Wittenberge kam nochmal so eine Liste, wenn man müde ist, strengt das ganz schön an.



In Boitzenburg treffe ich auf die Elbe, esse drei Kugeln Eis, die irgendwie alle gleich schmecken. Mir fällt auf, dass sich Eis als Energielieferant irgendwie nicht eignet, dabei ist da doch soviel Zucker drin. Komisch.
Der Radweg an der Elbe ist ein Knaller, super ausgebaut, man hat die ganze Zeit Blick auf die Elbe und die Hochwassersicherungsgebiete oder den Deich.
Es geht durch Gorleben, das tatsächlich ein Tourismus Ort ist, ich schätze aber die temporär hohe Dichte an Hippies auf Holland Rädern und Umweltaktivist*innen hat andere Gründe.
In Wittenberge bin ich mit Christer und Baldur verabredet, wir essen in der Ölmühle, einem hip gentrifizierten ex Fabrikkomplex, der heute eine Art Jubiläum feiert. Nach 196km in den Knochen esse ich auf dem Fest ersteinmal zwei Steaksemmeln, eine Bratwurst und habe immer noch Hunger. Das finde ich beim Radfahren beachtlich: was der Körper an Nahrung verbrennt und auch einfordert. Ich bin dann froh, dass mir bewusstes Essen in so einer Situation latte ist, anstelle der Semmeln hätte ich auch 5-8 Snickers gegessen…

Back 2 the Ölmühle: Als Baldur und Christer eintreffen haben sich die gar nicht zum Hipster Start Up Centre passenden volltrunkenen Hooligans schon auf den Heimweg begeben (oder auf ein Nazikonzert wo „5 Deutsche Bands für 8,80 spielen, iwo JWD Wittenberge), der Ministerpräsident von Brandenburg war noch da und hat freundlicherweise während unseres Essens (OK, aber nichts Besonderes, dafür zu teuer) erbarmt und auf unsere Räder aufgepasst. Vielen Dank, Herr Woidke. Die Ölmühle hat während der Lockdownphasen in Berlin mit der Einrichtung von Co Working Spaces und kostenlosem Wohnraum Gründer aus Berlin und Hamburg angeworben, in der Hoffnung, dass diese über die Lockdownphasen bleiben. Diese sitzen entweder vorm Rechner, sind übers Wochenende weg gefahren oder haben sich in ihrem äußeren Erscheinungsbild den eben beschriebenen betrunkenen Gruppen angepasst. Aufgefallen sind sie mir nicht, dennoch im Grunde eine gute Idee.
Nach dem Essen ballern wir 20km Richtung Lenzen, kurz zuvor gibt es die Schutzhütte Auenblick, die unser Nachtlager bildet. Ziemlich sauber, mitten in der Natur und totale Ruhe! Insgesamt ein mega Abschluss eines langen Tourtages.
